Abbildung des fertigen Zines. Auf der Titelseite steht "Sexpositivity ist mehr als das Gegenteil von Slutshaming".

MEHR ALS

Das erste Zine ist endlich fertig. Yay! Hat jetzt auch nur reichlich ein Jahr gedauert. "MEHR ALS" soll aber eine ganze Zine-Reihe werden zu unterschiedlichen feministischen Themen. Es dauert dann aber hoffentlich nicht noch ein Jahr bis zum nächsten. Ideen hab ich auf jeden Fall schon mal.

 

Das Zine gibt es jetzt auch zum runterladen, nach dem ich rausbekommen hab, wie das geht. Yay! Das ganze ist eine PDF im A5 Format. Beim Drucken "Broschüre" oder "Buchdruck" auswählen, zwei Seiten pro Blatt und das ganze beidseitig. Dann sollte auch eigentlich ein Zine raus kommen :D

Sexpositivity ist MEHR ALS das Gegenteil von Slutshaming
Kritik der Sex Positivity aus nichtbinärer Sicht 

Content Note: Sexualität und Diskriminierung

 

Prolog
 

Ursprünglich hatte ich nur nach Texten gesucht, die Sex Positivity aus trans* Sicht betrachten, musste aber feststellen, dass ich im Netz nichts dazu finde. Zum einen war ich irritiert, da es doch eigentlich zu jedem Thema etwas im Netz zu finden gibt. Aber natürlich war ich auch enttäuscht, als Enby mal wieder ein blinder Fleck zu sein. Also blieb nichts anderes übrig, als selbst darüber zu schreiben, die erste Person zu sein, die dazu was ins Internet stellt. Wie aufregend! War anfangs noch der Plan, den Text aus trans* Sicht zu schreiben, fiel mir aber auf, dass ich als nichtbinäre Person nicht unbedingt für binäre trans* Personen sprechen kann, auch wenn es sicherlich einige Überschneidungen gibt. Ich habe mich also auf die nichtbinäre Sicht beschränkt, war das ja auch die Fehlstelle, die ich füllen wollte. Ich schreibe zu großen Teilen in der Ich-Form. Der Text beruht aber nicht nur auf meinen eigenen Erfahrungen, sondern deckt sich auch mit den Erfahrungen etlicher anderer nichtbinärer Personen, mit denen ich gesprochen habe. Trotzdem gibt der Text hauptsächlich meine persönliche Meinung wieder. Er ist daher vermutlich nicht mal im Ansatz vollständig und es wird definitiv auch nichtbinäre Personen geben, auf die nicht alle oder sogar keine der genannten Punkte zutreffen. Zur Einordnung des Textes: ich bin weiß, in Deutschland geboren, endogeschlechtlich, agender, pansexuell, mit akademischen Hintergrund.

Mir ist bewusst, dass für einen Großteil der Menschen Slutshaming aus weit mehr als dem internalisierten Teil besteht. Dass Slutshaming etwas ist, was ihnen immer wieder von außen begegnet und ebenfalls ein Faktor ist, der alles komplizierter macht. Es gab mal einen Abschnitt, der sich rund um das Thema drehte, da ich davon aber nicht betroffen bin, habe ich den Teil erstmal wieder raus genommen.

 

Sex Positivity, yay!

Sex Positivity ist ein großartiger Fortschritt. Mich nicht dafür schämen zu müssen was ich mit wem oder wie vielen Menschen mache, ist eine großartige Sache! Seit Jahrhunderten kontrollieren cis Männer mittels Slutshaming und rape-culture die Sexualität und damit auch die Körper anderer Menschen. Sex Positivity ist für mich der Versuch, die Macht darüber zurückzugewinnen. Ich ging zwar lange davon aus ein Mann sein zu müssen, habe aber auch meine Portion Slutshaming internalisiert, durch ein stetes „Männer sind Schweine und wollen immer nur das Eine“. Wer ist schon gern ein Schwein? Lange hab ich mich dafür geschämt zu masturbieren und dachte, ich sei ein Schwein, weil ich Sex gut finde. Das Konzept der Sex Positivity hat mir da mit viel Arbeit über die Jahre geholfen die Scham zu überwinden. So hatte ich dann nach 10 Jahren sexueller Aktivität auch das erste Mal guten Sex. Ohne schlechtes Gewissen! Tolle Sache!

 

Sex Positivity, yay?

Mit breiterer Akzeptanz der Sex Positivity kamen Workshops, um die eigene Sexualität zu entdecken, Sex positive Partys und mehr Ratgeber*innen für besseren Sex, als eine einzelne Person in einem ganzen Leben lesen kann. Und plötzlich sprechen mich Frauen in Clubs an und fragen: „Ficken?“. Und da fängt für mich das Problem an. Sex Positivity ist für mich nicht einfach nur das Gegenteil von Slutshaming. Egal worauf auch immer ich gerade Lust hatte, nach der Frage: „Ficken?“, hab ich nur noch Lust nach Hause zu gehen. Und zwar allein! Ehrlich gesagt bin ich mittlerweile von der Sex Positivity Welle sogar schon ein wenig angenervt. Und damit meine ich noch nicht mal die unzähligen Lifestylemagazine, mit den 7 besten Tips für den sagenhaftesten Sex des Sommers oder so ähnlich. BDSM und Bondage Workshops erfreuen sich großer Beliebtheit bei queeren und feministischen Veranstaltung. Von Feminist*innen werden mir „drogenbenebelte Sexpartys“1 nahe gelegt. „Sex und Abenteuer im Überfluss“2 werden als etwas „krass geiles und bestärkendes“3 dargestellt. Dagegen wirkt der Hinweis „du verdienst positive, erfüllende sexuelle Erlebnisse“4 aus dem Zine „Konsens Lernen“ fast wie ein elterlicher Ratschlag. Ich weiß, wie der Hinweis an der Stelle gemeint ist, und doch war mein erster Gedanke: „nicht schon wieder!“. Ich vermag mir ehrlich gesagt gar nicht vorstellen, wie frustrierend diese Allgegenwärtigkeit von Sex Positivity dann erst für asexuelle Personen sein muss.

 

Ist das noch Sex Positivity?

Die Art, wie über Sex Positivity geredet wird, verleitet Menschen dazu, über ihre Grenzen zu gehen. Sex mit Fremden und BDSM zum Beispiel sind schon so weit normalisiert, dass Leute teilweise als uncool behandelt werden, wenn sie nicht drauf stehen. Aber wer will schon uncool sein. Vielleicht probier ich es ja trotzdem mal? Soll ja „krass geil und bestärkend“ sein… Im Datingkontext ist es mir inzwischen schon etliche Male passiert, dass Menschen irritiert reagieren, wenn ich sage, dass ich Sex gut finde, mit BDSM aber nichts anfangen kann. Die Dates sind dann meist an der Stelle auch zu Ende. Die Kritik, dass sich FLINTA* teilweise das toxische Datingverhalten von cis Dudes aneignen, ist aber nicht neu, deshalb will ich auf den Aspekt auch nicht weiter eingehen. Was mich an der ganzen Sex Positivity aufregt, ist die Frage, wem sie eigentlich nützt? Intimität und Nähe ohne Angst begegnen zu können ist ein Privileg. Gerade (mehrfach) diskriminierte Menschen erleben regelmäßig Gewalt und besitzen dieses Privileg daher meist nicht. Für sie ist Vertrauen eine wichtige Basis für Intimität, um sich vor Übergriffen zu schützen. So attraktiv eine „drogenbenebelte Sexparty“ in der Theorie auch erscheinen mag, als (mehrfach) diskriminierte Person wird dies in der Praxis niemals ein sicherer Ort sein (sofern ich da überhaupt erstmal rein gelassen werde #lookism #racism #ableism etc). Casual Sex oder One Night Stands sind da eher eine Bühne für Übergriffe. Deshalb regt mich die Frage „Ficken?“ auch so sehr auf. Vielleicht würde ich sogar gern „Ja!“ sagen, das wäre aber grob fahrlässig und ist keine ernstzunehmende Option. Somit stellt die Frage „Ficken?“ eigentlich nur die Privilegien der fragenden Person zur Schau. Schön, dass du den Freiraum hast mit Fremden Sex zu haben, ich hab den nicht. Du zeigst damit aber auch, dass du keine Ahnung von anderen Lebensrealitäten hast, oder es ist dir egal. Sonst hättest du anders gefragt. Don`t get me wrong, das ist kein Bashing gegen Sex Positivity an sich. Sex Positivity ist toll! Ich bin neidisch und eifersüchtig! Ich koche vor Wut, weil ich das auch gern hätte! Werd ich aber vermutlich nie haben. Und nein, mit „du musst dich auch mal darauf einlassen“ hat das nichts zu tun. Warum das so ist, soll Inhalt des Textes sein.
 

Binarität, zum ersten

Egal wie viele verschiedene Gender existieren, Sexualität wird bisher immer noch anhand biologischer Merkmale gedacht. Menschen sehen eine Vulva oder einen Penis und sagen: „Ah ok, wie ich mit einer Vulva/Penis umgehe weiß ich.“ Sexualität hat aber erstmal überhaupt nichts damit zu tun, wie ein Körper aussieht. Dies trifft mich als nichtbinäre Person besonders, da durch die Einteilung in „Menschen mit Vulva oder Penis“ auch wieder eine binäre Einteilung stattfindet, in der ich mich nicht wiederfinden kann. Ich bin nicht meine Vulva oder mein Penis. Auch meine Sexualität reduziert sich nicht auf meine Vulva oder meinen Penis. Vielleicht hab ich sogar überhaupt keine Lust auf Sex mit Vulva oder Penis. Dann ist‘s zwar erstmal sehr schön, dass du weißt, wie du damit umgehen würdest, aber wie gehst du damit um, wenn ich das gar nicht mag? Wie gehst du damit um, dass die Sexualität, die ich mir wünsche, sich nicht über meine Genitalien definiert? So vielfältig wie die einzelnen Menschen sind, so vielfältig ist auch die Sexualität. Bei dem Versuch diese Komplexität auf eine Dimension zu reduzieren bleibt das wichtigste auf der Strecke. Dass Sexualität wesentlich mehr ist als das Aufeinandertreffen von Genitalien.
 

Binarität, zum zweiten

Zusätzlich zu der Annahme, was Menschen mit Vulva oder Penis beim Sex gut finden, werden an diese Einteilung aber auch immer noch Erwartungen geknüpft, wie sie sich beim Sex zu verhalten haben. Das Drehbuch sieht nur zwei verschiedene Rollen vor, eine für Menschen mit Vulva und eine für Menschen mit Penis. Es ist mitunter auch möglich, die Rollen zu tauschen, es bleibt aber in jedem Fall ein binärer Rahmen. Von wem welche Rolle besetzt wird, mag inzwischen nicht mehr ganz so starr sein, es gibt aber in jedem Fall nur zwei. Im Zweifel hat aber keine der angebotenen Rollen etwas damit zu tun, wie ich mir als nichtbinäre Person Sexualität vorstelle. Genauso wie auch mein Gender in keine der angebotenen Kategorien passt, passt auch die Sexualität, die ich mir wünsche, in keine der angebotenen Kategorien. Sie bewegt sich auch nicht irgendwo dazwischen, wie oft angenommen wird, genauso wenig wie mein Gender. Ich befinde mich völlig jenseits der angebotenen Rollen. Ein Zusammentreffen mit den klassischen Rollen führt daher meist zu einem Desaster für mindestens eine der beteiligten Personen. Und das bin meistens ich. Hinzu kommt aber noch, dass sich das Ganze auch noch wandeln kann. Genauso wie Gender etwas ist, was sich wandeln kann, kann sich auch meine Vorstellung von Sexualität ändern. Manchmal gibt es einen Endpunkt, auf den sich Menschen zu bewegen, manchmal ist es eine fortdauernde Veränderung. Und manchmal ist die Veränderung wellenförmig oder eine Kombination aus allem.

 

Dysphorie

Was sich als nichtbinäre Person ebenfalls oft direkt mit Sexualität verbindet ist die Dysphorie. Dysphorie ist das Unbehagen, welches entstehen kann, wenn Körper und Gender nicht übereinstimmen. Besonders daran ist, dass dieses Unbehagen weit über ein mit dem eigenen Körper unzufrieden sein gesteigert sein kann. Mitunter wird es als Ablehnung oder sogar Hass auf den eigenen Körper beschrieben. Das betrifft nicht alle Personen. Wenn es auftritt, entstehen daraus aber komplett individuelle Bedürfnisse, da sie ausschließlich vom individuellen Erleben abhängen. Praktisch kann das zum Beispiel dazu führen, dass bestimmte Körperbereiche bei sexuellen Aktivitäten lieber ausgespart werden, dass betroffene Personen sich nicht nackt zeigen wollen oder auch eine andere Sprache notwendig wird, da die bisherige das eigene Erleben nicht wiedergibt. Die Liste ließe sich ewig fortführen. Daraus entstehen nochmal völlig andere Bedürfnisse an die Sexualität, als sich mit der Frage nach Vulva oder Penis überhaupt erklären lassen. Bedürfnisse, die sich ebenfalls zum Teil vollständig außerhalb jeglicher binärer Drehbücher bewegen und eben komplett individuell sind. Und viel wichtiger: Viele wissen noch nicht mal, wie sich diese Bedürfnisse mit „erfüllender“ Sexualität überhaupt verbinden lassen, da sie auch erstmal gar nichts mit Sexualität an sich zu tun haben.
 

Kommunikation, zum ersten

All diesen Widrigkeiten kann ich hauptsächlich entkommen, in dem ich vorher (!) ein Gespräch über all das führe. Über meine Wünsche, Vorstellungen und Grenzen. Über meine Ängste und Sorgen. Mich ohne dieses Gespräch auf Intimitäten mit einer Person einzulassen endet schon fast zwangsläufig in einer Katastrophe. Im besten Fall geh ich „nur“ frustriert nach Hause. Mal wieder. Im schlechtesten ist wieder ein Teil meines Selbstvertrauens zerstört, da mir mal wieder meine Identität abgesprochen wurde. Korrektes Gendern ist eben mehr als nur das richtige Pronomen zu verwenden. Falsches Gendern findet auch nonverbal statt. Was Menschen an Erwartungen an mich tragen. Wie sie mit mir umgehen. Das ist dann auch der Grund, warum mich die Frage „Ficken?“ so sehr aufregt. Für mich hat die Frage nichts Sex positives an sich. Vielleicht ist es für dich befreiend, diese Frage stellen zu können. Mich verletzt sie. Mit der Frage wird nicht mal im Ansatz die Komplexität meiner Situation berücksichtigt. Eine Komplexität, die weit über ein übliches Consentgespräch hinaus geht. An keiner Stelle wird die Bereitschaft zur Kommunikation deutlich. An keiner Stelle wird deutlich, dass du bereit bist, dich auf eine andere Lebensrealität einzulassen als deine eigene. Deutlich wird nur das fehlende Bewusstsein, dass „Ficken“ nicht für alle Menschen bestärkend und erfüllend ist.
 

Kommunikation, zum zweiten

Das alles sind aber Dinge, bei denen ich Angst habe sie anzusprechen, weil ich Angst habe, ob ich mit meinen Wünschen ernst genommen werde oder abgewertet. Angst vor enttäuschten Blicken. Angst, ob du überhaupt offen bist, mit mir darüber zu sprechen und eine andere Sexualität auszuprobieren, als du sie bisher kennst. Werden meine Grenzen überhaupt verstanden? Bist du achtsam genug, sie dann auch wirklich einzuhalten? Denn mit jeder scheiß Situation stapeln sich die Ängste nur immer höher. Ich sehe es an den angewiderten Blicken und enttäuschten Gesichtern, dass sie etwas anderes von mir erwartet haben. Und das verletzt mich. Von all diesen Fragen abgesehen weiß ich aber auch gar nicht, wie viele Menschen auf einem Date oder einer Sex positiven Party sich tatsächlich die Zeit nehmen würden, all das im Vorfeld zu besprechen. Oder wie viele Menschen generell bereit wären das zu besprechen, wenn Consent selbst unter Feminist*innen immer noch nicht Standard ist, sondern oft genug als Downer betrachtet wird. Das wird aber ein eigenes Zine...

 

Warum Kommunikation trotzdem sinnlos ist

An sich sind all diese Fragen aber auch schon fast egal, da für all diese Bedürfnisse, die ich als nichtbinäre Person an Sexualität habe, zu großen Teilen noch nicht einmal eine Sprache existiert. Mir ist es zum Beispiel nicht möglich einer anderen Person in unter 30 Minuten zu erklären, wie für mich erfüllender Sex aussieht. Ist mein Gegenüber cis-hetero steigt das schon mal schnell auf mehrere Stunden. Wie erkläre ich, dass mich die binären Erwartungen verletzen und wie eine Offenheit stattdessen aussieht? Wie erkläre ich, was nichtbinärer Sex für mich bedeutet? Was nichtbinäre Dynamiken sind? Wie erkläre ich es einer Person, wenn ich Bock auf Sex habe, aber nicht mit Genitalien? Wie erkläre ich, wie der Sex dann für mich aussieht? Oft bleibt mir wenig mehr als festzuhalten, dass ich etwas anderes als den heteronormativen Kram will. Andere nichtbinäre Personen verstehen meist relativ schnell was ich meine. Aber selbst nach zahllosen Gesprächen fehlt mir immer noch die Sprache auszudrücken was ich will, statt aufzuzählen, was ich nicht will.
 

Ist das noch casual Sex oder kann das weg?

All das vorher besprochen zu haben, ist aber auch eigentlich nur das absolute Minimum. Da sich Grenzen und Bedürfnisse auch stetig verändern können, setzt das auch eine stete Gesprächsbereitschaft voraus. Alles, was schon mal besprochen wurde, kann beim nächsten Mal völlig anders aussehen und muss dann komplett neu verhandelt werden. Zum anderen lässt die Angst vor erneuten Verletzungen durch falsches Gendern und ablehnendes Verhalten nichtbinäre Personen von außen oft schon asexuell erscheinen. Selbst wenn Interesse an Sexualität an sich existiert. Es braucht ein großes Maß an Vertrauen, damit ich mir sicher sein kann, dass meine Grenzen auch wirklich verstanden wurden und auch eingehalten werden können. Dieses Vertrauen aufzubauen, genauso wie mein Wunsch nach steter Gesprächsbereitschaft, grenzt aber schon an eine verbindliche Beziehung. Naja, eigentlich ist das eine Beziehung. Sex Positivity wird da aber meist irgendwie anders verstanden. Unter „Sexualität ausleben“ verstehen die meisten vermutlich etwas anderes, als ständig langwierige Gespräche zu führen und erstmal eine Beziehung aufzubauen, bevor es ins Bett geht. Klingt alles irgendwie nicht so nach „Abenteuer“, „krass geil“ oder „Sexparty“. Für mich als nichtbinäre Person existiert die Option, meine Sexualität ohne Gespräche und Verbindlichkeit auszuleben und dabei mental gesund zu bleiben, aber nicht.

 

Warum der ganze Text eigentlich sinnlos ist

Aber auch die Frage nach der Kommunikation ist eigentlich egal. Wenn nichtbinäre Personen meist noch nicht mal eine Vorstellung davon haben, wie guter Sex für sie überhaupt aussehen kann, haben sie auch nichts zu erzählen. Dafür müsste ich erstmal eine Person finden, die bereit ist, das gemeinsam mit mir heraus zu finden. Eine Person, die sich die Zeit nimmt. Die bereit ist für Experimente und damit meine ich nicht die lustigen! Sondern Experimente, die regelmäßig schief gehen und im Frust enden, da sich auf völlig unbekanntem Terrain bewegt wird. Eine Person, die bereit ist diesen Frust auch aufzufangen und sich vielleicht sogar selbst mit Ideen kreativ in den Prozess einbringt. Auf jeden Fall aber eine Person, die bereit ist sich zurück zu nehmen und ok damit ist, dass es vermutlich die meiste Zeit nicht um sie gehen wird. Und dann ändert sich im Zweifelsfall halt auch noch alles ständig wieder und der ganze Prozess beginnt wieder von vorn. Klingt irgendwie nicht so nach „Abenteuer“, „krass geil“ oder „Sexparty“.
 

Und jetzt?

Ich rede viel mit anderen trans* Personen über all das und stelle fest, dass in meinem Umfeld die meisten das Thema Sexualität eigentlich aufgegeben haben. Beziehung und Intimität wird eher als frustrierend, verletzend und verunsichernd wahrgenommen. Irgendwann ist der Stapel an scheiß Erfahrungen einfach zu hoch. Von „Sexpartys“, „Abenteuern“ und „bestärkendem Sex“ wissen die wenigsten zu erzählen. Sich nicht mit cis Dudes und cis Heten zu daten ist inzwischen ja schon normal. Aktuell geht der Trend aber dahin, auch gar keine cis Personen mehr zu daten, da es trotz allem Feminismus immer noch zu verletzend ist. Immer noch finde ich mich regelmäßig in tradierten Erwartungsmustern an mein vermeintliches Geschlecht wieder, statt Bedürfnisse von Individuen auch als individuell betrachtet werden. Wenn ich es dann über alle Barrieren hinweg geschafft habe zu erklären, wie für mich nichtbinärer Sex aussieht, höre ich selbst von Feministinnen Sätze wie: „Das klingt aber kompliziert.“ oder „Ich steh halt auf richtige Männer.“ (beides Zitate). Was bleibt dann anderes übrig, als auch noch cis Personen von der Liste zu streichen. Richtig verrückt wird es aber eigentlich erst, wenn dann noch andere Diskriminierungsformen hinzu kommen. Das erhöht den Redebedarf dann gleich mal um ein Vielfaches. Ich zum Beispiel bin nichtbinär, demisexuell, pansexuell, solo poly, mehrfach bodydivers und mehrfach neurodivers. Mit mir all die Gespräche zu führen wird mal so richtig lustig. Ehrlich gesagt hab ich selbst regelmäßig noch nicht mal Lust auf die ganzen Gespräche. Ich hab die aber auch schon zig mal völlig ergebnislos geführt. Dabei wollte ich doch einfach nur erfüllenden Sex.

Ursprünglich wollte ich aber nicht nur ranten, sondern auch etwas empowerndes schreiben. Das mach ich dann aber in einem anderen Text. Irgendwann… Bis dahin hab ich zwei Bitten: Wenn du das nächste mal auf der Suche nach einem Abenteuer bist oder Leuten von deinem letzten Abenteuer erzählst, denk bitte vorher drüber nach, ob das wirklich so cool für dein Gegenüber ist. Und es wäre halt mal richtig klasse, wenn du etwas mehr Geduld und Gesprächsbereitschaft mitbringst, wenn du Bock auf was auch immer hast. Vermutlich hat dein Gegenüber auch prinzipiell Bock drauf, aber eben nicht mit der Frage „Ficken?“.


 

Quellen

1 Penny, Laurie, Unsagbare Dinge, Nautilus Flugschrift, Mai 2020, 

S. 255

2 Ebd., S. 251

3 Brav_a #13, Seite 71

4 Konsens lernen, S. 56

 


 

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